Zeitgeschichte 2004

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"Die ungebrochene Faszination des Phänomens Hitler"

"Hitler konnte eine demokratische Legitimation aufweisen"

Der jüdische Schriftsteller und Historiker Rafael Seligman schrieb im "Rheinischen Merkur" eine Abhandlung über seine im März 2004 erschienene Hitler-Biographie. Interessant dabei ist, dass er über Hitler sehr viel Positives zu sagen hat. Zum ersten Mal werden in einem Hitler-Beitrag in den System-Medien die Leistungen des politischen Revolutionärs und Reichskanzlers zumindest ansatzweise dargestellt: "Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit schrieb man Hitler zu Recht gut. Seine außenpolitischen Erfolge, das Konkordat mit dem Vatikan, das Flottenabkommen mit Großbritannien, der Einmarsch der Armee ins Rheinland, der Anschluss Österreichs wurden zunächst bejaht, später begeistert aufgenommen." Kein deutscher System-Historiker oder -Autor würde es wagen, Hitler in diesem Lichte zu beschreiben.  Für das Phänomen Adolf Hitler dürfte es wohl kaum ein geschichtliches Beispiel geben. Ein ganzes Volk kämpfte für seinen Führer bis zum totalen Ende und opferte sich für ihn. Seligman schreibt: "Die Städte versanken in Schutt und Asche. Millionen kamen um. Dennoch standen die Deutschen loyal zu Hitler. Warum?" Es klingt un-glaublich, aber es ist so: In Seligmans Beitrag findet sich nicht einmal das Wort "Holocaust". Im Zusammen-hang mit Adolf Hitler verwendet Seligman in seinem Artikel auch nur einmal das Wort "Verbrecher", und das relativierend in Verbindung mit Stalin, Lenin, Franco und Saddam. Noch unglaublicher ist, dass Seligman den Deutschen empfiehlt, Hitlers MEIN KAMPF zu lesen. Seligman wehrt sich gegen das Verkaufs- und Vertriebs-verbot von Hitlers Werk in Deutschland. Es sei  "einer Demokratie unwürdig, Gedanken zu bekämpfen, die man nicht lesen darf," schreibt Seligman. Seligman gibt zu, dass Hitler gegen die "kalte, moderne Zeit" (Globalismus) kämpfte und dass nicht nur die Nazis die Juden als "Vertreter" dieser Menschheitskälte em-pfanden. Seligman schreibt: "Adolf Hitler versprach Nestwärme, verkörperte den vergeblichen Kampf gegen die Herausforderungen, Bedrohungen und Chancen der kalten modernen Zeit, als deren Vertreter die Juden keineswegs nur von den Nazis angesehen wurden." Hitler kam demokratisch an die Macht und konnte sich bis zum heroischen Untergang seines Reiches voll und ganz auf das demokratische Ur-Prinzip, die Mehrheit, stützen. Er wurde von 98 Prozent des ganzen Volkes nicht nur gewollt und getragen, sondern sogar geliebt. Kein sogenannter demokratischer Politiker hat dies je, noch nicht einmal in Ansätzen, geschafft. Warum nicht? Seligman deutet es an. Während Schau-Demokraten (Globalisten) und bolschewisti-sche (globalistische) Unterdrücker die eigenen Menschen verraten, verkaufen und in der Eiseskälte des Globalis-mus (Internationalismus) in Armut zu Grunde gehen lassen, schenkte Hitler seinen Menschen Harmonie, Glück, Wohlstand und Nestwärme in der Volksgemeinschaft und seiner Volkswirtschaft!

Rheinischer Merkur, Nr. 11, 11.03.2004, S. 17

HITLER / These eines neuen Buchs: Weil die Deutschen die Moderne fürchteten, hatte der "Führer" leichtes Spiel

"Deutsche, lest MEIN KAMPF"

Die Welt, 5.3.2004, Seite 30, TV-Programm, (ZDF, 22.35 aspekte)

"Rafael Seligmann provoziert mit seiner
Hitler-Biografie."

Das braune Nest war warm

Warum mussten die Juden sterben, weshalb blieb ein ganzes Volk treu bis in den Tod? Der Autor fasst die Erkenntnisse seiner Untersuchung zusammen, die in diesen Tagen erscheint.

Autor: RAFAEL SELIGMANN

Adolf Hitler ist die prägende Persönlichkeit des abgelaufenen Jahrhunderts. Die Nachwirkungen seines Tuns bleiben für uns aktuell. Als Politiker, Feldherr, mobilisierender Redner und Verbrecher stellt Hitler Lenin, Stalin, ganz zu schweigen von Franco oder Saddam, in den Schatten. Darüber hinaus konnte Hitler im Gegensatz zu den genannten Herren eine demokratische Legitimation aufweisen.

Seit 1932 war Hitlers NSDAP die größte deutsche Partei. Im Jahr darauf stimmten knapp 44 Prozent der Wähler für die Nazis. Später sah die überwiegende Mehrheit der Deutschen Hitler als ihren Führer an.

Die ungebrochene Faszination des Phänomens Hitler in und außerhalb Deutschlands ist die Erklärung für die anhaltende Flut der Hitler-Literatur. Autoren und Leser wollen verstehen, was das "Charisma" Adolf Hitlers ausmachte. Ich habe keine neue Hitler-Biografie verfasst. Das Erkenntnisinteresse meines Buches konzentriert sich auf das Verhältnis der Deutschen zu Hitler. Ich möchte wissen, warum eine wachsende Mehrheit Hitler folgte: zunächst als Parteichef, dann als Kanzler, schließlich als unumschränktem Diktator. Kurz, warum erkoren die Deutschen Hitler zu ihrem Führer?

Heraus aus der Opferrolle

Deutschland war der jüngste Nationalstaat im Herzen Europas. Das mangelnde Selbstwertgefühl des Zuspätgekommenen personifizierte sich im manisch-depressiven Auftrumpfen Wilhelms II. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Unterzeichnung des demütigenden Versailler Friedens, der Deutschland geografisch und psychologisch demontierte, empfand sich die Nation, vor allem deren Bürgertum, als Opfer.

Der heimatlose Weltkriegsveteran Adolf Hitler begriff sich ebenfalls als Opfer. Die Kapitulation raubte ihm sein letztes Asyl, die Armee. Er gab vor, im Augenblick des Zusammenbruchs der alten Ordnung den Beschluss gefasst zu haben, Politiker zu werden. Hitler machte für seine persönliche wie für die Niederlage Deutschlands eine Verschwörung verantwortlich.

Adolf Hitler tritt im Sommer 1919 aus der Anonymität. Bei einer Schulung von Soldaten und später bei einer Versammlung der Deutschen Arbeiterpartei DAP brandmarkt Hitler die Juden als Drahtzieher der deutschen Misere. Dies überzeugte seine Vorgesetzten. Fortan wird Hitler zur Indoktrination von Soldaten eingesetzt. Bald ist er der Kopf der DAP. Hitler wettert gegen Versailles und dessen deutsche Handlanger, die "Novemberverbrecher". Hinter den Kulissen sieht er allenthalben die Hebräer die Fäden ziehen.

Die Anprangerung der Juden als Ursache des nationalen Niedergangs wirkte glaubhaft. Denn viele Deutsche dachten ähnlich. Weite Teile des Bürgertums verharrten in einer neogermanischen Mystik, als deren Prophet Richard Wagner galt. Man verweigerte sich der Moderne. Deren Nutznießer wiederum die Juden waren. Überlieferung und althergebrachte Beschränkungen hatten die Israeliten dazu gemacht. Die Tradition des Studiums, das lange geltende Verbot von Landbesitz und Handwerk, ständige Diskriminierung, die Konzentration auf Finanzgeschäfte nötigten die Juden zur Rationalität, Anpassungsbereitschaft und damit zur Moderne. Dadurch waren die Hebräer ihren christlichen deutschen Landsleuten überlegen.

Erfolge einer Minderheit

Die deutsch-jüdische Symbiose entsprach einst jüdischem und heute nicht jüdischem Wunschdenken. Tatsächlich herrschte Rivalität vor. Bei nur 0,7 Prozent der Bevölkerung errangen die Juden ein Viertel der nationalen Nobelpreise, die Hälfte der Privatbanken waren in jüdischem Besitz, 80 Prozent der Kaufhäuser. Israeliten spielten eine hervorgehobene Rolle in Presse, Theater, Kunst. Superiorität einer Minderheit erzeugt bei der Mehrheit Aversionen. Zumal, wenn überlieferte religiöse Vorurteile hinzukommen.

Hitler verachtete das Christentum. Doch er versuchte, dessen antijüdische Klischees zu nutzen. Das Weltbild des NS-Chefs war zunächst diffus. Er errang anfänglich in München und bald in Bayern Ruhm und Anhängerschaft in völkischen Kreisen, indem er sich zum Trommler wider alles "Undeutsche" emporschrie: gegen Novemberverbrecher, Juden, Franzosen, Bolschewiken, Kriegsgewinnler et cetera. Die Dynamik seiner Hasstiraden und seines Anhangs, darunter Ernst Jünger, trieb Hitler zum missglückten Bierputsch des 9. November 1923. Die anschließende Haftstrafe nutzte Hitler zur Systematisierung seines weiteren Vorgehens. Ergebnis war sein Buch "Mein Kampf".

Der Historiker Joachim C. Fest mokiert sich über die "vorgespiegelte Scheingelehrsamkeit" Hitlers und die "unverwechselbar neurotische Ausdünstung" des Pamphlets. Andere Autoren betonen, das Buch sei schlicht "unlesbar". Falsch! "Mein Kampf" hegt keine literarischen Ambitionen. Doch es verdeutlicht, was der Autor denkt und will. Hitler weiß sich als Deutschlands natürlicher Führer. Er allein wähnt sich in der Lage, Deutschland aus jüdischer Hand zu befreien. Dies sollte notgedrungen im Rahmen des demokratischen Systems geschehen. Einmal an der Macht, wollte Hitler außer der NSDAP alle Parteien ausschalten und den Einfluss der Juden beseitigen. Deutschland müsse seinen zukünftigen Lebensraum im Osten erkämpfen und auch dort den Juden die Herrschaft entreißen. Deutsche sollten anstelle der Juden Russland ausbeuten.

Nie ist eine politische Programmschrift derart unterschätzt worden wie "Mein Kampf". Wer Hitlers Intentionen heute verstehen will, muss dessen Buch kennen. Daher trete ich für die Freigabe der Schrift ein. Es ist einer Demokratie unwürdig, Gedanken zu bekämpfen, die man nicht lesen darf.

Adolf Hitler folgte seinem Fahrplan zur Macht. Taktisch flexibel, doch im Grundsatz unbeirrbar. Die Deutschen wiederum versammelten sich zunehmend hinter Hitlers Fahnen. Denn es gelang den Weimarer Parteien nie, das Bürgertum für die Demokratie zu gewinnen.

Die "Systemparteien" waren mit dem Stigma des "Dolchstoßes" behaftet. Die Mehrheit wählte 1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten. Den Mann, der bereits 1919 die Dolchstoßlegende in die Welt gesetzt hatte. Als sich die wirtschaftliche Situation Ende der zwanziger Jahre rapide verschlechterte, entschieden sich immer mehr Deutsche für Hitler.

Hitler machte aus seinen Absichten kein Geheimnis. Am wenigsten gegenüber dem Militär. Bereits am 3. Februar 1933 erklärte er der Spitze des Heeres, dass er aufrüsten wolle, um Lebensraum im Osten zu erobern. Im Sommer 1934 ließ Hitler im so genannten "Röhm-Putsch" mithilfe der Reichswehr die SA-Führung ausschalten und von der SS umbringen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch der ehemalige Reichskanzler und General Kurt von Schleicher sowie General von Bredow ermordet. Die Armeeführung rechtfertigte das Töten und machte sich so zum Mordkomplizen. Bald darauf, nach dem Tod Hindenburgs, wurden die Soldaten auf Hitler vereidigt.

Die Hinwendung der Zivilbevölkerung zu Hitler vollzog sich weniger spektakulär. Die Ausschaltung der demokratischen Parteien, Institutionen und Verbände wurde goutiert. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit schrieb man Hitler zu Recht gut. Seine außenpolitischen Erfolge, das Konkordat mit dem Vatikan, das Flottenabkommen mit Großbritannien, der Einmarsch der Armee ins Rheinland, der Anschluss Österreichs wurden zunächst bejaht, später begeistert aufgenommen. Der Jubel über das Münchner Abkommen von 1938 zeigte, dass die Deutschen den Krieg fürchteten. Dennoch zogen sie für Hitler ein Jahr später willig in den Waffengang. Die Menschen sollten nicht die Konsequenzen ihrer Zustimmung zu Hitler und seinem Kampf gegen Vernunft und Menschlichkeit sehen. Ab 1943, nach dem Fiasko von Stalingrad, wurde unverkennbar, dass Deutschland auf dem Weg in die Niederlage war. Die Städte versanken in Schutt und Asche. Millionen kamen um. Dennoch standen die Deutschen loyal zu Hitler. Warum?

Im gleichen Jahr setzten Italiens Faschisten Mussolini ab. Das Land wechselte die Fronten. Die Deutschen dagegen folgten Hitler und Goebbels in den "totalen Krieg". Es war mehr als Jubel. Die Rüstungsproduktion stieg bis Ende 1944 steil an. Die unterlegene Wehrmacht kämpfte bis zuletzt tapfer.

Organisierter Widerstand gegen Hitler war chancenlos. Die Einsicht, dass keine deutsche Einheit gegen Hitler marschieren würde, zwang die Attentäter um Stauffenberg nach dem Anschlag zum Täuschungsmanöver "Walküre". Der Umsturzversuch des 20. Juli musste geradezu an der Hitler-Treue von Armee und Bevölkerung scheitern.

Gewalt erregte Abscheu

Während des Krieges sickerte durch, dass Behinderte systematisch ermordet wurden. Es dauerte jedoch mehr als zwei Jahre, ehe Angehörige und prominente Kirchenführer zumindest ein offizielles Ende der Tötungen erzwangen.

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Die Diskriminierung der Juden wurde toleriert. Doch die Gewalttaten des November 1938 erregten allenthalben in Deutschland Abscheu. Die Deutschen waren eben keine "eliminatorischen Antisemiten". Die Deportation der Juden und das allmähliche Bekanntwerden des Völkermordes erregten anders als bei der Euthanasie keinen Widerstand. Die Deutschen nahmen es ebenso hin wie die alliierten Regierungen. Nicht, weil sie dies billigten, sondern weil ihre Loyalität zu Hitler schwerer wog als die Solidarität mit den Juden.

Adolf Hitler verstand es bis zuletzt, sich die Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten. Auch durch Terror, vor allem aber, weil er als Führer anerkannt blieb. Denn er repräsentierte bis zum Ende authentisch die Ängste des Bürgertums. Adolf Hitler versprach Nestwärme, verkörperte den vergeblichen Kampf gegen die Herausforderungen, Bedrohungen und Chancen der kalten modernen Zeit, als deren Vertreter die Juden keineswegs nur von den Nazis angesehen wurden. Es brauchte die totale Niederlage, um die Deutschen aus dem Banne Hitlers und seiner Wahnideen zu befreien.

Rafael Seligmann: Hitler. "Die Deutschen und ihr Führer". Ullstein, Berlin 2004. 350 Seiten, 22 EUR.